Eine Vorbemerkung: Bitte nagelt mich hier nicht fest! Die Informationen in diesem Artikel entspringen meiner persönlichen Erfahrung und eigenen Recherchen – ich bin weder Steuerberater noch Anwalt …
Also legen wir los:
Viele Auswanderer lassen sich in Italien als Freelancer nieder und versuchen so, ein kleines “Business” zu starten, oder gehen ihrem schon in Deutschland freiberuflich ausgeübten Job nach. Andere wiederum suchen eigentlich eine Arbeit im Angestelltenverhältnis, werden aber vom Arbeitgeber – wie unzählige Italiener – in die Scheinselbständigkeit gezwungen. Sie “werden eine partita IVA“, wie es in Italien inzwischen heißt.
Ein Selbstständiger ist in Italien nicht finanziell für Zeiten von Arbeitslosigkeit abgesichert, hat aber Anrecht auf Familienbeihilfe, Tagegeld im Falle eines Krankenhausaufenthaltes, fünf Monate Mutterschutz und krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit. Im Ernstfall dann an diese Leistungen zu kommen, ist ein anderes Kapitel, weshalb die meisten Italiener es gar nicht erst versuchen.
Das “Regime Forfettario”
Das „Regime Forfettario“ ist ein vereinfachtes Steuersystem in Italien für Kleinunternehmer, Freiberufler und Selbstständige. Es wurde eingeführt, um Bürokratie abzubauen und die Steuerlast für kleinere Unternehmen zu verringern.
Nutzen kann das Regime, wer folgende Grenzen einhält:
- Jahresumsatz bis 85.000 €
- Keine Beteiligung an Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften
- Keine Angestelltenverhältnisse mit dem Hauptauftraggeber im aktuellen oder vorherigen Jahr
- Wohnsitz in Italien
- Nicht in einem anderen Sonderregime
Besteuerung
Statt normaler Einkommensteuer (Irpef) zahlt man eine Einheitssteuer (imposta sostitutiva) von 15% (Für die ersten 5 Jahre bei neuen Tätigkeiten („start-up“) – nur 5%, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind).
Das zu versteuernde Einkommen wird pauschal berechnet – nicht anhand realer Ausgaben. Man muss also keine tatsächlichen Ausgaben nachweisen – darum heißt es „forfettario“.
Der für die Höhe der automatisch angenommenen Ausgaben herangezogene „Coefficiente di Redditività“ (Ertragskoeffizient) variiert je nach Tätigkeitsart (ATECO-Code) und bestimmt, wie viel Prozent der Einnahmen als Gewinn versteuert werden müssen. Der Rest wird pauschal als Betriebsausgabe angenommen, ohne dass man Belege benötigt.
Hier eine Übersicht der aktuellen Sätze (2024/2025):
Tätigkeit | ATECO-Code Beispiel | Koeffizient |
---|---|---|
Freie Berufe (z. B. Berater, Designer, IT) | z. B. 74.10.21 | 78 % |
Handel (Einzel-/Großhandel) | z. B. 47.19.10 | 40 % |
Herstellung von Waren / Handwerk | z. B. 10.71.10 | 67 % |
Gastronomie (Restaurants, Bars) | z. B. 56.10.11 | 40 % |
Transportdienstleistungen | z. B. 49.41.00 | 62 % |
Vermietung von Immobilien (privat) | z. B. 68.20.01 | 84 % |
Bau und Baunebengewerbe | z. B. 43.21.01 | 86 % |
Landwirtschaft (kleinere Betriebe) | z. B. 01.11.10 | 40–67 % je nach Unterkategorie |
Zur Verdeutlichung, nach Adam Riese: Eine Beispielrechnung für Freiberufler, wie z.B. Berater, Designer, … (78 %):
- Einnahmen: 30.000 €
- Gewinn laut forfettario: 30.000 × 78 % = 23.400 €
- Steuer (15 %): 3.510 €
Buchführung & Rechnungsstellung
- Keine doppelte Buchführung
- Kein IVA (Umsatzsteuer), aber Pflicht zur IVA-Befreiungserklärung auf Rechnungen
- Keine elektronische Rechnung nötig (außer bei bestimmten Kunden oder Umsatz > 25.000 €)
Elektronische Rechnung
Die Erstellung elektronischer Rechnungen übernehmen Steuerberater normalerweise nicht für einen, sondern man muss da alleine „durch“.
Es gibt zwar Softwares, die intuitiv zu bedienen sind und die elektronischen Rechnungen erstellen. Allerdings kann man es auch ganz alleine schaffen – einfach in das eigene Profil beim Finanzamt einloggen und direkt darin arbeiten. Gut auch: Die Rechnung ist so schon beim Finanzamt gespeichert, man muss sich keine Gedanken über eine gesonderte „fälschungssichere“ Aufbewahrung machen. Und es ist kostenlos.
Tipp beim Stellen von Rechnungen: Bis 4% der Abgabe an das INPS können auf den Rechnungsempfänger abgewälzt werden („Rivalsa INPS“). In Italien weiß das jeder, mit dem man beruflich zu tun hat. Sowohl italienische als auch ausländische Firmen müssen dem Freiberufler zwar nicht entgegenkommen, tun es aber meist.
Internationale Rechnungen: Intrastat-Meldung nicht vergessen!
Alle Rechnungen, die man Unternehmen außerhalb Italiens stellt, unterliegen der Meldepflicht bei Intrastat. Man kann sie immer gesammelt für jedes Trimester erstellen. Um ehrlich zu sein: Mein Steuerberater macht die Meldungen immer fertig und ich unterschreibe nur noch. Ich habe aber gehört, es gäbe Freiberufler, die auch das selber machen können.
Adressänderungen
Bei einem Umzug innerhalb Italiens muss die neue Adresse natürlich auch bei Finanzamt und INPS gemeldet werden. Beim INPS reichte es bei mir, die neue Adresse telefonisch durchzugeben. Beim Finanzamt ist es schwierig, da benötigt man eine Software für die Software für die Software – Kurzum: Die Aktualisierung des Wohnsitzes sollte man immer direkt dem Steuerberater übergeben.
Sozialversicherungsbeiträge beim INPS
Der Pflichtbeitrag an das INPS (Istituto Nazionale della Previdenza Sociale) in Italien ist die gesetzliche Sozialversicherungsabgabe, die von selbstständig Erwerbstätigen, Freiberuflern, Arbeitnehmern und Unternehmen entrichtet werden muss. Diese Beiträge dienen dazu, Sozialleistungen wie Rente, Krankenversicherung, Mutterschaftsgeld, Arbeitslosengeld usw. zu finanzieren.
Die Beitragspflicht und -höhe variiert je nach beruflicher Tätigkeit, und zwar insbesondere in Bezug auf:
1. Selbstständige ohne Berufsverband (Gestione Separata)
- Beitragssatz (2025, Stand aktuell): ca. 25 % des Netto-Einkommens.
- Diese Regelung gilt z. B. für viele Freelancer, Start-ups, Digitalnomaden, die keiner Kammer oder keinem Berufsverband angehören (z. B. IT-Berater, Designer, Texter).
- Mindestgrenze für die Beitragspflicht liegt bei einem gewissen Mindesteinkommen (jährlich festgelegt).
2. Freiberufler mit Kammerzugehörigkeit (z. B. Architekten, Anwälte, Ärzte)
- Diese zahlen an ihr eigenes Versorgungssystem (Cassa di Previdenza), nicht direkt an das INPS.
- Die Beitragssätze und Leistungen variieren stark je nach Kammer (z. B. Architekten: ca. 14–26 %).
- Trotzdem sind sie verpflichtet, Sozialabgaben zu leisten – eben nur an ihre zuständige Kasse.
3. Gewerbetreibende & Handwerker (Artigiani & Commercianti)
- Zahlen an die INPS – gestione commercianti/artigiani.
- Beitragssätze (2025): ca. 24 % des Einkommens + fester Mindestbeitrag (rund 4.500 € im Jahr, auch bei niedrigem Einkommen).
- Je nach Einkommenshöhe kann der effektive Beitrag sehr hoch ausfallen.
Wichtig:
- Wer sich in Italien selbstständig macht, muss sich aktiv bei der INPS anmelden.
- Es gibt einige Ermäßigungen für Jungunternehmer, z. B. reduzierte Sätze in den ersten Jahren (z. B. 35 % Rabatt auf Beiträge).
- Die Abgabe ist unabhängig von der Steuer – sie ist zusätzlich zur Einkommenssteuer zu zahlen.
Einen Steuerberater suchen?
Steuerberater, die sich um Freiberufler kümmern, verlangen ab etwa 500 Euro im Jahr für ihre Dienste. Die meisten Freiberufler haben einen Commercialista, der sich um Meldepflichten, Beitragszahlungen, Rechnungserstellung und die Erklärungen dazu kümmert.
Nichts ändert sich in Italien so schnell wie Gesetze. Und gerade was Steuern und Sozialabgaben angeht, wird es mit jeder Norm meist komplizierter, nicht einfacher. Selbst pfiffige Italiener verzweifeln an den stetigen Neuerungen und sind nach einem Anruf oder Besuch beim Finanzamt auch nicht klüger.
Außerdem gibt es regelmäßig Probleme mit der Software, mit der man seine jeweiligen Deklarationen abgibt.
Zudem beißt sich der Fiskus schnell fest, wenn etwas nicht stimmt, und es wird schwierig, jemanden beim Finanzamt zu finden, der gleichzeitig kompetent und gewillt ist, eine komplizierte Sachlage gemeinsam (und wohlwollend) zu betrachten.
Zusammenfassend: Man steht auch mit einem Steuerberater an der Seite immer mit einem Bein im Gefängnis. Aber zumindest spart man sich das Geld für Psychotherapeutin und kompulsives Shopping.
Der Artikel stammt vom 12. August 2015, wurde aber komplett neu überarbeitet.
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