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Das italienische Gesundheitssystem – ein Überblick

Italien bietet allen Italienern und Ausländern, die ein Anrecht haben, eine kostenlose medizinische Grundversorgung an. Das staatliche Gesundheitssystem ist der servizio sanitario nazionale, kurz SSN (seit 1978). Er wird durch Steuergeldern, Abgaben der Arbeitgeber und durch private Zuzahlungen (in Italien ticket genannt) für die jeweiligen Untersuchungen finanziert. Welche Leistungen man vom SSN erhalten kann, sind in der LEA (Livelli essenziali di assistenza) festgehalten.
Das Gesundheitsministerium erarbeitet zwar den piano sanitario nazionale. Die Ausführung, Verwaltung, Kontrolle usw. übernehmen dann aber die regionalen Regierungen. Auf örtlicher Basis wendet man sich an das ASL (azienda sanitaria locale, dt. örtliche Gesundheitsbehörde) seiner Stadt. Hier kann man neben der Beantragung einer neuen Krankenversicherungskarte (tessera sanitaria), sich impfen lassen (Pflichtimpfungen) und u.a. auch den Befreiungsantrag für die Zuzahlung der Untersuchungen stellen. Ausländer können sich hier registrieren.

Hausarztwahl und -wechsel

Um sich einen Hausarzt (medico di base) auszuwählen, muss man ebenfalls ins örtliche ASL Büro gehen. Dort liegen Listen, der in der Stadt praktizieren Haus- und Kinderärzte (pediatra) aus. Wenn man Pech hat, hat der ausgewählte Arzt aber keine Kapazität mehr, da jeder Arzt nur eine bestimmte Anzahl an Patienten behandeln darf (max. 1.500 Patienten pro Hausarzt, max. 800 Patienten pro Kinderarzt). Das Wechseln des Haus- bzw. Kinderarztes ist nicht so einfach wie in Deutschland. Man muss nämlich auch für den Wechsel zum ASL und einen Grund angeben. Der Hausarzt leitet seine Praxis alleine oder bildet mit einem anderen Arzt eine Gemeinschaftspraxis. Die Vertretung wird von einem anderen Hausarzt in der Nähe übernommen. Die Sprechstunden eines Hausarztes sind in der Regel am Nachmittag/Abend oder abwechselnd vormittags und nachmittags. Mein Hausarzt hat seine Sprechstunde täglich von 16:00 bis 19:30. Zum Terminvereinbaren, für Überweisungen und Ratschläge muss morgens angerufen werden (z.B. von 8:30 bis 9:30). In vielen Praxen geht der Arzt selbst an den Apparat, da nicht jeder Hausarzt eine Sprechstundenhilfe hat. Die Wartezeit ist beim Hausarzt nicht lange, spätestens in 48 Stunden hatte ich immer meinen Termin.
Hausbesuche werden vor allem für alte, nicht mehr mobile Menschen angeboten.

Italienische Hausarztpraxen besitzen normalerweise kaum technische Ausrüstung wie Ultraschallgeräte oder ähnliches. Des Weiteren nimmt der Hausarzt in Italien auch kein Blut ab und auch keine anderen Proben entgegen. Dafür bekommt man eine Überweisung.

Blutabnahme

Blutabnahmen und die verschiedenen Abstriche werden in den centri di prelievi genommen (in der Regel ohne Termin). Hier gibt es die öffentlichen und privaten, die z.T. jedoch mit dem öffentlichen Gesundheitssystem zusammenarbeiten. Die Öffnungszeiten sind meistens vormittags von Montag bis Freitag, zum Teil auch am Samstag. Die Ergebnisse kann man, je nachdem um was es sich handelt, nach wenigen Tagen oder nach 1,2 Wochen abholen bzw. auch online einsehen.

Zum Spezialisten

Fachärzte (medici specialisti) der verschiedenen Fachrichtungen, die für den SSN arbeiten, findet man in den poliambulatori. Diese poliambulatori sind mit großen Ärztehäuser zu vergleichen. Sie sind entweder in die Krankenhäuser integriert oder auch einzelstehend.
Gynäkologen findet man nicht nur in den poliambulatori, sondern auch in den consultori familiari (Familienzentren). Neben Gynäkologen arbeiten hier auch Psychologen und Hebammen. Diese Zentren bieten daher ein recht großes Spektrum an Hilfsangeboten an. Es gibt u.a. Geburtsvorbereitungskurse, Babymassagekurse, Gruppentreffen zu Themen wie Menopause, Pubertät usw.

Privatpraxen

Neben diesen Angeboten vom SSN gibt es natürlich auch viele Privatpraxen. Diese sind jedoch ziemlich teuer. Für eine Untersuchung zahlt man schnell Summen von 90,00 bis 140,00 Euro. Der große Vorteil der Privatärzte ist die sehr kurze Wartezeit (ein paar Tage bis 1, 2 Wochen). Es gibt aber seit ein paar Jahren auch die sogenannten “low cost” Privatzentren. Hier kostet eine erste Kontrolluntersuchung bei einem Facharzt um die 60,00 Euro. Meine Erfahrung mit einer solchen „low cost“ Behandlung ist sehr gut. Ein weiterer Vorteil von Privatärzten ist es, dass man bei der Untersuchung bzw. Kontrolle den gleichen Arzt vor sich hat. Dies ist beim öffentlichen Gesundheitssystem seltener der Fall. Darin kann man, wenn man will, aber auch etwas Positives sehen. Auf diese Weise bekommt man verschiedene Meinungen bzw. eine Bestätigung eines weiteren Arztes zu seinem gesundheitlichen Problem.
Viele Italiener wählen auch den Privatarzt, da sie sich eine bessere Behandlung erhoffen.
Ich persönlich habe aber noch keine schlechten Erfahrungen mit dem SSN gemacht. Ich habe mich immer gut aufgehoben gefühlt und die Ärzte waren auch, ausser zwei Ausnahmen, sehr nett und hilfsbereit.

Termine und Wartezeiten im öffentlichen Gesundheitssystem

Die Wartezeiten sind, wenn man mit dem SSN reserviert, aber auf alle Fälle länger. Um einen Termin bei einem Facharzt auszumachen, benötigt man eine Überweisung vom Haus- bzw. Kinderarzt. Den Termin vereinbart man, indem man die Telefonhotline (numero verde) der jeweiligen Region anruft. Man kann auch direkt vor Ort im poliambulatorio oder mittlerweile auch online seinen Termin buchen. Ein Vorteil der Telefonreservierung ist es, dass, falls in der ausgesuchten Struktur kein Termin mehr frei ist, bzw. die Wartezeit auch mal acht Monate betrifft, man einfach den nächsten freien Termin in der ganzen Provinz erfragen kann. Auf diese Weise erspart man sich lange Wartezeiten. Wartezeiten können extrem schwanken von wenigen Tagen (Mir wurde schon mal ein Termin am nächsten Tag angeboten.) bis zu mehreren Monaten, je nach Untersuchung. Meine persönliche Durchschnittswartezeit würde ich so etwa bei zwei Monaten sehen. Es lohnt sich auch nach der Terminvereinbarung noch mal bei der Hotline anzurufen, manchmal kommt es vor, dass Termine abgesagt werden und so Lücken entstehen.

Kosten

Bei den Untersuchungen mit dem SSN muss der Bürger einen Teil der Behandlung selbst bezahlen (die oben genannte Zuzahlung). Eine erste Untersuchung bei einem Facharzt kostet 28,50 Euro. Bei einem Brustultraschall wird eine Zuzahlung von 46,80 Euro fällig und bei einer Blutuntersuchung, um die Immunität auf Windpocken zu testen, zahlt man z.B. 9,40 Euro momentan.
Hier ein Link der die Kostenstruktur der Zuzahlung genauer erläutert: regione.lombardia.it
Komplett kostenlos sind die Besuche beim Hausarzt, Kinderarzt, die Pflichtimpfungen, die Pflichtuntersuchungen während der Schwangerschaft und Krankenhausaufenthalten. Ein HIV Test ist in den öffentlichen Gesundheitseinrichtungen kostenfrei und anonym.
Des Weiteren können sich Menschen mit einem geringen Einkommen, mit seltenen bzw. chronischen Krankheiten vom „ticket“ (Zuzahlung) befreien lassen. Kinder (unter 6 Jahren, Code E01) sind auf nationaler Ebene befreit, falls das jährliche Familieneinkommen unter 36.151,98 € brutto liegt. Neben den nationalen Vorgaben gibt es aber auch regionale. In der Lombardei sind z.B. alle Kinder mit einem dortigen Wohnsitz unter 14 Jahren (Kode E11) automatisch befreit.
Einen Teil der Kosten für Untersuchungen kann man bei der Steuererklärung (730) absetzen. Man bekommt 19% der Kosten, nach Abzug eines Selbstbehalts von 129,11 Euro, zurückerstattet.

Weitere Informationen rund um das Thema Gesundheit und Gesundheitssystem finden sie unter folgendem Link:
salute.gov.it

11 Antworten zu „Das italienische Gesundheitssystem – ein Überblick“

  1. Avatar von MariaElisabeth Severini
    MariaElisabeth Severini

    Guten Tag
    Lange habe ich gesucht, vielleicht bekomme ich hier eine Antwort welche mir nützt, wäre sehr schön.
    Bin Schweizerin Rentnerin – Residenza -Tessera Sanitare – Hausarzt- Esenzione – alles wunderbar. Damit ist schon eine wesentlicher Teil abgedeckt.
    Nun jedoch hat die Schweiz mit Italien ein Abkommen – Rentner im welche in Italien wohnen müssen eine Krankenkasse (Grundversorgung- Grundversicherung) in der Schweiz haben. Somit hat man dann die Wahlmöglichkeit sich allenfalls in der Schweiz zu behandeln lassen. Diese ist jedoch teuer denn sie kostet im Monat mindestens 300 Fr.
    Man kann sich allerdings davon befreien wenn man sich in Italien einer privaten Krankenkasse anschließt oder freiwillig je nach Einkommen sich zusätzlich bei der S.N.N versichert.
    Nun meine Frage, hat jemand schon Erfahrung damit und was ist besser private Krankenversicherung (welche und wo am besten) –
    Ich weiß die Ausführungen sind etwas lange – wäre jedoch sehr dankbar für eine Antwort
    MariaElisabeth

  2. Avatar von Manfred Zisler
    Manfred Zisler

    Hallo zusammen, da es natürlich immer verschiedene Erlebnisse beim Arzt im Urlaub geben kann, möchte ich mal eine große Lanze für Italien brechen. Eine Woche vor Ostern war ich mit meiner Frau in Rom am Campingplatz mit meinem Wohnmobil. Am 3. Tag Stadtbesichtigung fühlte ich mich noch ganz gut, aber gegen 22:00 kriegte ich jedoch sehr starke Schmerzen im Brustkorb, als es immer schlimmer wurde hat meine Frau bei der Rezeption angerufen, das Problem erklärt und um einen Arzt gebeten. 10 Minuten nach dem Anruf bei der 118 kam die Ärztin mit einen mobilen EKG an und brachte mich sofort in die Universitätsklinik. Dort wurde nach triage entschieden und ich wurde 10 Minuten später Operiert, nach 30 Minuten hatte ich 3 Stents und meine Aorta war wieder funktionsfähig.
    3 Tage war ich dann auf Intensiv und weitere 2 Tage auf Station im 2 Bett Zimmer. Bei der Entlassung bekam ich einen Abschluß Bericht in Italenisch und Englisch, Medikamente für eine knappe Woche ausgehändigt. 9 Tabletten pro Tag sichern mir das Überleben. Am Ende fragte ich natürlich nach der Bezahlung,
    allerdings wollte keiner Geld von mir, es war alles kostenlos. Ich hab ein neues Leben und wurde sehr einfühlsam gepflegt.
    Vielen lieben herzlichen Dank an das italienische Gesundheitssystem und an alle die daran beteiligt waren.

  3. Avatar von anneliese plankenhorn
    anneliese plankenhorn

    p+a plankenhorn
    wir sind 76/75 jahre alt,in der BRD bei der AOK versichert. wollen wohnung kaufen und RESIDENZIA erhalten 1 WOHNSITZ,
    kann deutsche K-versicherung nach italien übertragen werden? ODER muss eine private K-versicherung abgeschlossen werden? was ist die BESTE lösung ? wie hoch sind ca- KOSTEN vielen herzlichen dank P+A.

    1. Avatar von Kim Kruse
      Kim Kruse

      Hallo Anneliese, wenn Ihr die Residenza habt, dann könnt Ihr Euch in die italienische, kostenlose, staatliche Krankenversicherung eintragen.
      Je nachdem, wo Ihr die Residenza machen wollt, braucht Ihr aber vorher schon eine eigene private KV, es sei denn, Eure Rentenbescheide werden zum „Bürgen“ für ein ausreichendes Einkommen akzeptiert. Da müsst Ihr mal nachfragen an dem Einwohnermeldeamt wo Ihr hinzieht.
      Also langfristig könnt Ihr Euch ohne Probleme in der italienischen KV anmelden. Wollt Ihr die Deutsche nicht mehr bezahlen, dann müsst Ihr Euch da auch abmelden, sonst drohen bei eventueller Rückkehr nach Deutschland hohe Nachzahlungen.
      LG und einen guten Start!
      Kim

  4. Avatar von Marianne Schöffmann
    Marianne Schöffmann

    Also ich hab die Italienische Versorgung eines Patienten jetzt life miterlebt- eine Katastrophe -.
    Lieblos -gleichgültig – unfreundlich – und ohne jegliche Aufklärung – so war die Behandlung über Tage bei verschiedenen Ärzten und Kankenhäusern.
    Und jetzt will man den Hausarzt wechseln und das ist auch nicht einfach – man ist also gezwungen bei einem Azrt zu bleiben, welchem man nicht mehr vertraut und sich allein gelassen fühlt .
    Das kenn ich so nicht bei uns in Österreich – ich lebe in Österreich, und muss jetz sagen, das Land der Glücklichen und Seligen. Um keinen Preis der Welt würde ich tauschen

  5. Avatar von Astrid Wenke
    Astrid Wenke

    Kein Kommentar, sondern eine Frage, die sich angesichts der SARS CoVid 19 Situation aufdrängt: Wie hat sich die aufgenötigte Austerizitätspolitik auf das Gesundheitssystem konkret (Zahlen hinsichtlich Intensivbetten, Krankenhauspersonal, Beatmungsgeräte) ausgewirkt?

    1. Avatar von Kim Kruse
      Kim Kruse

      Hallo Astrid, da bin ich leider überfragt, ich wüsste nicht, wo ich da Zahlen her bekomme.
      LG
      kim

  6. […] in Italien lebt, hat sicher schon die umfassende italienische Krankenversicherung. Aber was ist, wenn man (erst einmal) nur als Urlauber im Bel Paese […]

  7. Avatar von U.Folly
    U.Folly

    Italien eines der besten Gesundheitssysteme der Welt,wie bitte?? ich habe dort gewohn,musste in die Schweiz um mich behandeln zu lassen.Wie so viele Italiener die es sich leisten koennen gehn in die Schweiz.

    1. Avatar von Dr. Lucio Damiano
      Dr. Lucio Damiano

      Sehr geehrter Herr / geehrte Frau Folly,
      In einem Staat, wie die BRD oder Schweiz, in welchem die Schere zwischen Arm und Reich sich immer mehr „dehnt“, sind Sie entweder der TOP – Patient, als Privater, und können im Alter bis zu 800 Euro zahlen oder Sie sind gesetzlich versichert, haben eine gute, bis sehr gute Versorgung, warten machmal 1/2 bis mehr Monate auf ei CT oder etc. Ganz zu schweigen, wenn Sie von der Privaten in die Gesetzliche zurück wollten :-).

      1. Avatar von Dr. Viethen
        Dr. Viethen

        Egregio Dott. Damiano, non corrisponde assolutamente a la realta. Das stimmt nicht. Ich war Arzt in beiden Ländern – und auch Patient. In Deutschland ist die Versorgung verglichen mit Italien um Längen besser, Wartezeiten und Zuzahlungen wesentlich geringer. Der Commonwealth Fund (Kanada) kam zu dem Ergebnis, dass Deutschland (2016) sogar noch vor Schweden rangiert. Cordialmente – Dr. Gregor Viethen

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  2. Hallo Kim, ich bin von meinem Arbeitgeber für 6 Monate nach Italien entsandt worden. Ich behalte für diese Zeit meinen…

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