Recht Italien

Die „Sachwalterschaft – Amministrazione di sostegno“ in Italien

Mit Gesetz Nr.6 vom 9. Januar 2004 wurde in Italien ein neues Rechtsinstitut eingeführt: „Amministrazione di Sostegno – die Sachwalterschaft“.
Bisher gab es nur die Entmündigung, die nach wie vor noch im italienischen Zivilgesetzbuch vorhanden ist, aber, wie in fast allen europäischen Staaten, ein Auslaufmodell ist. In der Tat liegt dem italienischen Parlament bereits ein Gesetzesvorschlag zur Abschaffung der Entmündigung vor.
Die Sachwalterschaft ist -aufgrund der immer älter werdenden Gesellschaft- ein sehr gefragtes Thema. Die Anzahl der Menschen, welche einen Sachwalter benötigen, steigt von Jahr zu Jahr ständig.
Die Sachwalterschaft ist, ähnlich wie die Betreuung in Deutschland, ein Mittel um eine Person, welche an einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung leidet, zu schützen und ihr zu helfen, und zwar indem für diese Person ein sogenannter “Sachwalter” ernannt wird. In Betracht kommen sowohl an Demenz oder Alzheimer erkrankte Menschen, psychisch Kranke, Menschen mit geistigen oder körperlichen Erkrankungen, Schlaganfallpatienten, Abhängigkeitserkrankungen, Komapatienten usw..
Eine Sachwalterschaft kommt also zum Beispiel auch für einen Menschen mit einer Multiple Sklerose Erkrankung in Betracht, welcher geistig völlig fit ist, jedoch Schwierigkeiten hat zur Bank und zu Behörden zu gehen.
Voraussetzung ist, dass dieser Mensch aufgrund einer Beeinträchtigung seine Interessen ganz oder teilweise nicht mehr wahrnehmen kann, auch wenn dieser Zustand vielleicht nur zeitlich begrenzt ist (zum Beispiel ein Schlaganfallpatient, der auf dem Weg der Besserung ist, jemand der einen Freizeit oder Arbeitsunfall hatte, und deshalb momentan nicht fähig ist seine Angelegenheiten zu regeln). Die Sachwalterschaft ist ab dem 18. Lebensjahr möglich, so dass auch junge Menschen unter Sachwalterschaft stehen (zum Beispiel aufgrund einer Behinderung oder auch oftmals aufgrund eines Freizeit- oder Verkehrsunfalls).

Der große Unterschied zur Entmündigung (welche in Deutschland schon seit Jahren nicht mehr existiert) ist, dass die Person nur geringstmöglich in ihrer Autonomie eingeschränkt werden soll.
Das heißt, die Dinge, die sie (noch) selbst vornehmen kann, soll sie auch weiterhin alleine machen können. Nur da wo die Person Schwierigkeiten hat, soll der Sachwalter tätig werden. Kann die Person also noch selbst zur Bank gehen und sich Geld beheben, soll sie das auch weiterhin tun können; vielleicht in einem beschränkten Rahmen, wenn sie den Geldwert nicht mehr versteht.

Die Aufgaben des Sachwalters

Die Vemögensverwaltung ist in der Regel eine der Hauptaufgaben des Sachwalters. Zum Beispiel kann der Sachwalter (nach Vorgabe des Vormundschaftsgerichts) die Bank anweisen, der Person wöchentlich nur einen bestimmten Betrag auszuzahlen. Hat die Person Schwierigkeiten, Unterschriften zu leisten, zu den Ämtern zu gehen oder ähnliches, kann der Sachwalter ermächtigt werden, dies für diese zu tun. Der Sachwalter kann aber auch verpflichtet werden die Pflege zu organisieren, zum Beispiel eine Pflegekraft einzustellen, einen Altersheimplatz zu finden usw.

Die Aufgaben des Sachwalters sind also je nach Lebenslage der bedürftigen Person sehr unterschiedlich. So kann es auch vorkommen, dass der Sachwalter sich um den Verkauf oder um die Vermietung einer Immobilie kümmern muss, die Unterschrift für eine ärztliche Behandlung erteilen muss (sollte die Person keine rechtsgültige Unterschriften mehr leisten können) usw.

Die rechtliche Regelung

Die Sachwalterschaft ist im italienischen Zivilgesetzbuch unter den Art.404 ff. geregelt (codice civile). Eine deutsche Übersetzung des gesamten Zivilgesetzbuchs findet man unter provinz.bz.it/anwaltschaft/themen/zivilgesetzbuch.
Die Sachwalterschaft ist also national geregelt und gilt in ganz Italien. Die Zuständigkeit liegt grundsätzlich beim Vormundschaftsgericht, in dessen Bezirk sich die Person aufhält.

Antragstellung

Hinsichtlich des Verfahrens der Antragstellung gibt es regionale Unterschiede:
In manchen Regionen stellen die Gerichte Formulare zur Verfügung, die von jeder Privatperson -auch ohne Rechtsbeistand- ausgefüllt werden können und (samt weiteren erforderlichen Unterlagen) dann bei Gericht eingereicht werden; manche Regionen/Provinzen sind mit hervorragend funktionierenden Stellen (zum Beispiel Vereine in Südtirol, Trentino, Padova, Triest usw.) ausgestattet, welche beraten und bei der Antragstellung und den Sachwalterrn behilflich sind, andere Gerichte verlangen hingegen die Antragstellung mittels eines Rechtsbeistands. Hier ist beim jeweiligen Gericht des tatsächlichen Aufenthalts der betreffenden Person nachzufragen, die auch Informationsstellen nennen können. Die Kontaktadressen der italienischen Gerichte findet man unter tribunali.it.

Voraussetzungen für eine Sachwalterschaft

Grundsätzlich bedarf es nach dem Zivilgesetzbuch folgende Voraussetzungen für eine Sachwalterschaft:
Antragsteller können Angehörige bis zum 4. Verwandtschaftsgrad, die betroffene Person selbst, oder auch die Gesundheits-und Sozialdienste sein (Ärzte, Altenheime, Leiter der zuständigen Sozialdienste). Wenn man nicht mit der betroffenen Person verwandt ist, kann eine Mitteilung an die zuständige Staatsanwaltschaft gemacht werden, dass die Sachwalterschaft erforderlich ist.
Die betroffene Person muss eine körperliche oder geistige Beeinträchtigung haben, wodurch sie ihre Interessen, auch nur teilweise, nicht mehr wahrnehmen kann. Ein Sachwalter kann auch zeitlich befristet eingesetzt werden. Die Beeinträchtigung ist durch ein ärztliches Zeugnis nachzuweisen.
Eingereicht werden muss der Antrag (samt Unterlagen, welche beim zuständigen Gericht nachzufragen sind) beim Vormundschaftsgericht des Ortes, wo sich die Person tatsächlich aufhält. Besteht ein anderer Wohnsitzort, so ist trotzdem der Aufenthaltsort ausschlaggebend.

Bei deutschen Staatsbürgern, welche sich also dauernd in Italien aufhalten, sind die italienischen Gerichte zuständig, sollten sie in eine Situation geraten, in der eine Sachwalterschaft erforderlich ist.

Sollte sich die Person wieder nach Deutschland begeben und dort gewöhnlich aufhalten, wäre ab dann wieder die deutschen Betreuungsbehörden zuständig.
Ist der Antrag bei Gericht eingereicht, muss die Person vom Richter angehört werden. Kann sie dies aus gesundheitlichen Gründen nicht, kann der Richter die Person an ihrem Aufenthaltsort aufsuchen. Auf jeden Fall wird vor der Anhörung der Antrag und die Mitteilung des Anhörungsdatums der betroffenen Person durch eine Zustellung, welche normalerweise durch den Gerichtsvollzieher erfolgt, mitgeteilt. Es sollten auch der oder die Antragsteller bei der Anhörung anwesend sein. Haben die nächsten Angehörigen den Antrag nicht unterzeichnet, bekommen auch sie eine offizielle Mitteilung über das Verfahren.

Wer wird Sachwalter und was sind seine Aufgaben

Stellt der Richter dann die Notwendigkeit fest, dass die Personen einen Sachwalter benötigt, wird dieser ernannt und vereidigt. Es wird ein sogenanntes Ernennungsdekret (decreto di nomina) erlassen, worin alle Pflichten des Sachwalters aufgelistet sind. Daran muss sich der Sachwalter strikt halten. Mehr oder weniger darf er nicht tun.
In erster Linie kommen Familienangehörige in Betracht, die das Amt übernehmen. Sollten keine Angehörigen vor Ort vorhanden sein, kein Kontakt zu diesen bestehen, oder Familienkonflikte bekannt werden oder sonstige Gründe bestehen, so ernennt der Richter eine Person ausserhalb der Familie als Sachwalter. Dies kann ein Ehrenamtlicher sein, oder auch (oftmals) eine Person mit besonderer Ausbildung (Anwälte, Wirtschaftsberater usw.). Wünscht die betreffende Person einen bestimmten Menschen als Sachwalter und teilt dies mit, so muss der Richter das berücksichtigen.

Der Sachwalter, welcher ein Amt ausübt, ist zu einem jährlichen Rechenschaftsbericht verpflichtet, worin alle Vermögensbewegungen der betreuten Person und dessen gesundheitliche Situation darzulegen sind, und welcher bei Gericht zu hinterlegen ist.

Das Amt des Sachwalters ist unentgeltlich; allerdings kann dieser eine Aufwandsentschädigung verlangen, die sich nach dem Umfang des Amtes und dem Vermögen der betreuten Person richtet. Im Unterschied zum deutschen Betreuungsrecht gibt es (noch) keine „Berufsbetreuer“, die bei Vermögenslosigkeit vom italienischen Staat bezahlt werden. Allerdings arbeiten manche Provinzen daran regionale Gesetze zu erlassen, worin auch geregelt werden soll, dass die Sachwalter bei Vermögenslosigkeit eine Entschädigung durch öffentliche Gelder erhalten.

Verfahrenskosten

Das Verfahren der Sachwalterschaft ist gerichtsspesenfrei und -im Gegensatz zu anderen italienischen Gerichtsverfahren- recht unbürokratisch. Es werden lediglich einige Stempelmarken benötigt. Verlangt das Gericht einen Rechtsbeistand ist dieser natürlich zu bezahlen. Bis zur Anhörung bei Gericht dürfen maximal 60 Tage vergehen.

Ende der Sachwalterschaft

Die Sachwalterschaft endet mit dem Ableben der betreuten Person, bei Widerruf der Sachwalterschaft (man kann einen Antrag auf Beendigung stellen, sobald die gesundheitlichen Probleme nicht mehr bestehen), oder bei einer befristeten Sachwalterschaft mit Ablauf der Frist.
Der Sachwalter ist also keinesfalls verpflichtet, sich nach Ableben der Person um Erbschaftsangelegenheiten usw. zu kümmern.

Eine wichtige Information dürfte sein, dass im Art.408 Satz 2 des italienischen Zivilgesetzbuch auch geregelt ist, dass man im noch gesunden Zustand eine Person durch eine öffentliche Urkunde benennen kann, die im Fall der Notwendigkeit als Sachwalter ernannt wird. Die Erklärung sollte bei einem Notar gemacht werden.

Die Sachwalterschaft ist nicht mit einer Patientenverfügung nach deutschem Recht zu verwechseln. In Italien fehlt nach wie vor eine gesetzliche Regelung für eine rechtlich anerkannte Patientenverfügung, womit ich im noch gesundem Zustand entscheiden kann, welche medizinische Behandlungen ich wünsche oder eben nicht wünsche, sollte ich nicht mehr fähig sein, mich auszudrücken.

Deutschsprachiges Informationsmaterial zum Thema steht unter dsg.bz.it (Dienstelle fuer Sachwalterschaft, Bozen) und sostegno.bz.it (Verein fuer Sachwalterschaft, Bozen) zur Verfügung.

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