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Eine Unschooler-Familie in Italien

Emy, vor drei Jahren nach Italien ausgewandert, hat ihre Kinder von der staatlichen italienischen Grundschule abgemeldet und ist eine von über tausend Homeschoolern geworden. Wie die hiesigen Behörden reagierten und wie es nun bei ihr läuft hat sie uns bei einem Besuch verraten.

Die beiden Grundschüler hatten nicht nur keine Lust auf den Besuch der staatlichen Ganztagsschule, sondern die Eltern haben beobachtet, dass ihnen in der völlig normalen Grundschule nicht wirklich viel beigebracht wurde und einiges, auf das die Eltern bei der Erziehung besonders achten, mit der Zeit sogar nachlies. Die Tischmanieren zum Beispiel.

Die Mutter sprach also mit der Schuldirektorin und gab eine schriftliche Deklaration ab, mit der sie ihre Kinder fristlos von der Schule nahm (das kann zum Beispiel so aussehen). Die Direktorin („Preside“) nahm die Entscheidung so hin, schickte jedoch einige Zeit später eine Einladung mit den Terminen für die Jahresabschlußprüfungen beider Kinder nach Hause. Die Familie hatte allerdings gar nicht vor, den italienischen Lehrplan jedes Jahr einfach zu Hause durchzuarbeiten und die Kinder dann als Externe die entsprechenden Prüfungen machen zu lassen. Emy bedankte sich also bei der Schulleiterin für den Brief, lehnte die Einladung zur externen Prüfung aber ab. Daraufhin drohte die Direktorin ihr mit einer Klage. Eine siebzehnseitige Erklärung (entstanden mit rechtskundiger Hilfe von anderen Anhängern der „educazione parentale“) an Schule und Bürgermeister sorgte für Ruhe – weder kam eine Antwort, noch eine Klage oder ein Besuch der Carabinieri.

Was kostet Homeschooling die Familie?

Emy betreibt Unschooling. Sie kauft Bücher für die Kinder und fördert ihre Interessen mit Privatunterricht. Außerdem geht es regelmäßig ins Museum und auf Ausflüge und Treffen mit anderen Homeschoolern (didaktische für die Kinder und informative/networking-orientierte für die Eltern oder die ganze Familie). Instinktiv habe ich mir das sehr teuer vorgestellt, aber Emy hat lässig abgewunken: Sie gibt für das Homeschooling deutlich weniger aus als damals für die Schule. Denn unabhängig von den 4 Euro pro Mensaessen muss von den Familien in staatlichen italienischen Schulen Toilettenpapier mitgebracht werden und Druckerpatronen sowie Kopierpapier werden auf die Schüler umgelegt. Insgesamt ist Homeschooling also nicht unbedingt teurer als der normale Schulbesuch.

Wo erhält man Unterstützung?

Emy und ihre Familie legen großen Wert auf ihre Netzwerke. Zum einen auf ihren Bekannten- und Freundeskreis, denn hier gibt es viel Bildungspotential: Wer etwas kann, das die Kinder interessiert, wird umgehend in der „scuola a casa“ eingespannt. Außerdem wichtig ist der Familie der Kontakt mit anderen „Homeschoolern“ – sie treffen sich mehr oder weniger regelmäßig mit acht Familien aus der Mailänder Umgebung zum Austausch oder um einfach etwas zu unternehmen.

Und die Zukunftsperspektive der Kids?

Emy hat es bislang nicht bereut, ihre Kinder von der Schule genommen zu haben. Sie wachsen frei auf und können ihren Neigungen und ihrer Neugier folgen. Sollten sie einen Schulabschluss machen wollen, werden die Eltern sie auf die entsprechenden Prüfungen vorbereiten die sie in Italien ohne weiteres am Jahresende in allen Regelschulen ablegen können. Und wenn die Carabinieri irgendwann auftauchen sollten, um das Wohl der Homeschooler-Kinder festzustellen, können sie sich eine Sprache aussuchen, in der sie gepflegte Konversation mit aufgeweckten, mitteilsamen jungen Menschen betreiben können und sich Unmengen an Projekten ansehen, an denen die Kinder mit Anleitung und ohne ständig ihr eigenes Lernpensum kreieren und ausbauen.

 

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