Ich lebe seit 13 Jahren in Italien. Natürlich haben wir Deutschland nicht ganz den Rücken gekehrt. Zweimal im Jahr fahren wir über die Alpen, besuchen Familie und Freunde und nehmen all die Arzttermine wahr, die wir im Vorfeld organisiert haben.
Meist ist das Wetter nass und kalt, man steht mit beschlagener Brille an der Anmeldung überheizter Praxen, und wenn die Arzthelferinnen fragen, was man hier denn wolle, dann erwarten sie keine Antwort, die eine Blutabnahme nach sich ziehen könnte. Es ist mehr ein Vorwurf, wie man sich denn freiwillig aus dem Bel Paese entfernen und gegen dieses momentane Elend hier eintauschen könne.
Ich möchte all jenen, die diese Idealbilder im Kopf haben, keine Naivität nachsagen. Auch ich habe an viel Sonne (auch im übertragenen Sinne) geglaubt, als wir uns für Italien entschieden haben. All die Filme, die Kalenderblattansichten, die stimulierenden Lektüren, die Fotostrecken in Hochglanzmagazinen, die eignen Urlaube, ja selbst Kochbücher suggerieren eine nicht aufzuhaltende Glückseligkeit.
„Zuweilen singt die Callas“ lautet der Titel meines Buches, in dem ich unsere Erlebnisse zum Projekt Landhaus im Süden zusammengetragen habe. Ich bin kein Opernkenner, aber es gibt Arien, denen ich gerne lausche, wenn ich meiner guten Laune noch ein Sahnehäubchen oben drauf setzen möchte.
Zuweilen wird im Duden mit zu gewissen Zeiten, manchmal und in einigen Fällen definiert. Ich summe also nicht immerzu Tosca, weil es auch hier einen Alltag gibt mit Sorgen und wechselnden Gemütszuständen. Das kann der Frust sein, weil man sprachlich auf der Stelle tritt und im Kino wieder einmal nicht alles verstanden hat, oder die schwache Stromspannung, der niedrige Wasserdruck, der Arzttermin, der auf sich warten lässt, die teils ungeheizten Ristoranti im Winter, der Nebel, der sich nicht verziehen möchte, das Salz, das im Brot fehlt. Die Sehnsucht nach dem Leben, das man zurückgelassen hat.
Und wie würde es sich mit der Sehnsucht verhalten, wenn wir hier die Zelte abbrechen würden?
Das Wandern im fast menschenleeren Apennin, das intensive Leben mit den Jahreszeiten, der Blick von unserem Haus in eine Landschaft, die nie langweilig wird, die Centri storichi, der Aperitif auf der Piazza, die Herzlichkeit der Menschen, die Abendessen an langen Tischen, das eigene Olivenöl, die Kräuter, die ich ganzjährig aus dem Garten holen kann, die Sonne, die nicht immer, aber immer öfter scheint, das Meer, das sich fast immer in der Nähe befindet.
Auch all das würde fehlen!
Alles geht eben nicht. Es gibt Abzweigungen im Leben und die fordern Entscheidungen ab. Nicht immer freiwilliger Art. Wir haben uns freiwillig entschieden. Und wenn wir wieder über die Alpen in südliche Richtung fahren, dann ist der Kofferraum voll. Körnerbrot, Sauerkirschen, Blut- und Leberwurst in Dosen, festkochende Kartoffeln, Lesestoff und die ausgedruckten Blutwerte, die uns sagen weiter so!
Maria Hellmann (Jahrgang 56) lebte in den 80er Jahren mit Mann und Kindern in Madrid. Zurück in Deutschland erwachte wieder die Sehnsucht, nach einem Leben im Ausland. Zehn Jahre später bekam ihr Mann beruflich ein Angebot in Asien. Die Berichte an Freunde und Familie zum Leben weit weg von Zuhause, weckten bei ihr die Leidenschaft, sich schriftlich auszudrücken.
2004 ging es zurück nach Europa. Italien wurde die neue Wahlheimat, mit renovierungsbedürftigem Landhaus und viel Arbeit.
Ein Fernstudium für kreatives Schreiben folgte, als das Projekt Haus und Garten abgeschlossen war.
Zum Abenteuer „Landhaus in Italien“ hat sie einen sehr unterhaltsamen Roman geschrieben, in dem der Leser durch Suche, Fund und Ausbau geleitet wird und nebenbei auch erfährt, wie nah die schönen und widrigen Lebensumstände in Italien beieinander liegen können. Ein absolute Must Have, für alle, die in das Bel Paese auswandern möchten!
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