Es war nicht anders zu erwarten gewesen. Samurai wühlte mit beiden Händen in dem Abgrund, der sie verband. Aber er hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Marco massierte sich die Schläfe. […]
– Die Narbe erinnert mich bloß daran, was ich noch zu tun habe.
– Rache ist nicht immer ein edles Gefühl.
– Ich suche keine Rache, Samurai. Das Faschistengewäsch interessiert mich nicht mehr.
– Ach, mich auch nicht, das solltest du begriffen haben. Ich räche mich nicht. Ich nehme Veränderungen zur Kenntnis. Und wenn notwendig begünstige ich sie. Ich lenke das Schicksal, Marco. Ich kenne keinen Groll, weil ich dafür sorge, dass gar keiner entsteht. Das weißt du. Das war immer dein Problem, Marco. Du willst die Welt verändern. Aber die Welt verändert sich nicht. Sie will beherrscht werden. (Auszug Seiten 89-90)
Nach einem Erpressungsversuch bei dem Abgeordneten Malgradi wird der Gangster Spadino vom Mafioso Numero Otto brutal ermordet. Denn der korrupte Malgradi wird noch gebraucht: Die vereinigten Mafiaclans planen einen Riesendeal, ein gigantisches Bauvorhaben zwischen Rom und Ostia soll fette Gewinne in die Kassen spülen. Doch der Mord bringt das Gleichgewicht ins Wanken, eine blutige Fehde beginnt. Mafiaboss Samurai versucht die brüchige Allianz und das Projekt zu retten. Doch Carabiniere-Oberstleutnant Marco Malatesta wittert seine Chance, einen großen Schlag gegen die römische Mafia zu landen. Zudem verbindet ihn eine persönliche Vergangenheit mit Samurai.
Italien, Mafia. Schon als Kind hat mich das fasziniert, seitdem ich Michele Placido als Corrado Cattani in „Allein gegen die Mafia“ geschaut habe (als heutiger Vater eines Zehnjährigen muss ich mich im Nachhinein fragen, wieso ich als Elfjähriger sowas gucken durfte). Um Suburra bin ich schon länger herumgeschlichen, aber spätestens als Andy letztens den Nachfolger Die Nacht von Rom besprochen hatte, musste ich den Roman endlich in Angriff nehmen. Und ich habe es wahrlich nicht bereut.
Vom Prolog an erzählen die beiden Autoren eine absolut packende Geschichte. Eine italienische Geschichte von Macht, Gewalt, Korruption, Verrat und Mord. Mit wechselnden Perspektiven und üppigem Personal dringen De Cataldo & Bonini tief in das römische Dickicht aus Mafia, Politik, Klerus, Polizei, Justiz und Bürgerschaft ein.
Giancarlo de Cataldo hat bereits die Geschichte der römische Mafia seit den 1970er Jahren in seinen vorangegangen Romanen behandelt. Nun sind wir fast in der Gegenwart, im Jahr 2011, die Finanzkrise hat Italien in Griff, zum Ende des Buchs wird der Rücktritt Berlusconis beschrieben. Die Mafia in Rom ist ein diffuser Haufen, verschiedene Gruppen kontrollieren unterschiedliche Gebiete oder Geschäfte. Zwar wird mit Drogen immer noch gutes Geld verdient, aber auch mit (oberflächlich) legalen Aktivitäten lässt sich ein Haufen Kohle machen. Ein monströses städtebauliches Projekt verspricht für alle Beteiligten (und das sind nicht wenige) äußerst lukrativ zu werden. Doch für einen politischen Beschluss muss einiges getan werden und Differenzen zwischen den Clans wären kontraproduktiv.
Als wichtigste Gegenspieler treten zwei Figuren auf. Marco Malatesta, unkorrumpierbarer Bulle, ehrgeizig, clever, impulsiv. Er hat das Glück, einige vertrauensvolle Mitstreiter wie einen loyalen Vorgesetzten und einen ähnlich tickenden Staatsanwalt gefunden zu haben, allerdings gibt es noch genug andere im Polizei- und Rechtsapparat, die ihm Steine in den Weg legen. Privat ist er eher unstet, nicht fähig, sich dauerhaft zu binden. Als junger Mann war er selbst auf der anderen Seite, von damals rührt seine Beziehung zu Samurai. Dieser ist ein mächtiger Mafiaboss, primus inter pares. Er zelebriert asiatisch-japanische Traditionen, daher geht von ihm eine ruhige, in sich ruhende Präsenz aus. Samurai ist ein eiskalter Taktiker, zu enormer Gewalt fähig, jedoch setzt er diese kühl kalkulierend ein. Er ist ein Neofaschist, großen Rückhalt genießt er bei den zahlreichen rechten Fußball-Hooligans in Rom.
Die beiden Autoren sind echte Insider. De Cataldo ist Richter im Rom, Bonini investigativer Journalist. Sie zeigen einen erschreckenden, authentischen Blick auf die italienischen Verhältnisse: Sodom und Gomorrha. Dennoch bleibt immer ein Funken Hoffnung, so lange es noch ein paar Aufrechte gibt. Suburra war für mich ein absolutes Highlight. Komplexität, Spannung, Tempo, Stil, Figuren – für mich stimmte hier einfach alles.
Rezension und Foto von Gunnar Wolters. Danke für den Artikel an krimirezensionen.de!
Weiterlesen: Andys Rezension zum Nachfolgeroman Die Nacht von Rom des Autorenduos De Cataldo & Bonini.
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