Teil 2 über Alessandra und Alessandro und ihren Traum, ihre Jobs in der Großstadt gegen ein B&B auf dem Land einzutauschen. (zu Teil 1)
Als das Gebäude soweit stand, und das erste Gäste-Zimmer bezugsfähig war, wurde das Bed and Breakfast als solches bei der Gemeindeverwaltung angemeldet. Und dies ging schnell und völlig unkompliziert: Mitzubringen waren die Baupläne des Hauses mit den entsprechenden Zimmern und Bädern sowie die Kopie der für das B&B abgeschlossene Haftpflichtversicherung. Nach dem Anmelden konnte umgehend mit der geschäftlichen Aktivität begonnen werden, der obligatorische Kontrollbesuch des Gesundheitsamtes (ASL) musste zur Eröffnung nicht abgewartet werden. (Das ASL behält sich neben dem ersten obligatorischen Überraschungsbesuch zur Kontrolle der hygienischen Anforderungen der Betriebsstätte weitere Kontrollen vor.)
Da auch die Wohnräume der Familie erst komplett restauriert werden mussten, war für das Bed and Breakfast in den ersten drei Jahren ersteinmal nur ein Zimmer nutzbar, inzwischen sind es drei.
Marketing für das B&B
Aber auch mit nur einem Zimmer hat die Familie mit der Vermarktung begonnen. Zum einen haben sie sich in den einschlägigen Portalen eintragen lassen. Hier sind die Kosten unterschiedlich: Manche fordern einen erfolgsunabhängigen (Jahres-) Beitrag um die 200 Euro, andere ziehen bei Buchungserfolg 15% Kommission ein. Zusätzlich haben sie ihr Haus zum buchen über die „Smartbox“ angeboten, mit der romantische Wochenenden oder Familien-Abenteuer-Ausflüge gebucht werden. Vor allem am Anfang kamen fast alle Buchungen über die Portale im Netz, sporadisch kam aber auch eine Anfrage über Smartbox-Kunden. Ein sehr wichtiger Kanal für Buchungen ist zudem die Zusammenarbeit mit örtlichen Firmen. So hat Alessandra ihre Fühler ausgestreckt und erreicht, dass eine Akademie ihre mehrtägigen Seminare bei ihr abhält, was auch insgesamt lukrativer ist als die Belegung eines Zimmers für nur eine Nacht oder ein Wochenende.
Hier ein genereller Rat von Alessandra an alle, die ein B&B aufmachen wollen, aber mitten auf dem Land sind und nicht nah genug an Meer & Berg, oder bekannten Touristenorten, wo die Besucher schon von alleine hinkommen und sich zu beschäftigen wissen:
Eine Familie kann vom Betrieb eines Bed and Breakfast nicht leben, auf dem Land muss man mehr machen. Zum Beispiel, wie wir, Lavendel anbauen für Bio-Öl, dass für zusätzliche Einnahmen sorgt. Außerdem muss man versuchen, nicht nur eine reine Übernachtungsmöglichkeit zu bieten, um zum Beispiel auch Familien anzulocken: wir werden zum Beispiel Ponys anschaffen und andere Tiere, um wie bei „Ferien auf dem Bauernhof“ auch Kindern einen tollen Aufenthalt zu bieten.
Was auch wichtig ist, ist sich mit benachbarten Agriturismi und B&B gut zu stellen. Es passiert nicht selten, dass ein „Mitbewerber“ überbucht ist, und spontan Übernachtungsgäste vorbeischickt. Und umgekehrt.
Nach drei Jahren Betrieb: Wie sieht es finanziell aus?
In den ersten sechs Monaten nach Eröffnung des B&B wurde das Zimmer im Schnitt an zwei Wochenenden pro Monat gebucht – ein guter Anfang. Dann stieg die Nachfrage gewaltig an und einige Male mussten Kunden sogar abgewiesen werden: Im zweiten Jahr war das B&B ganzjährig geöffnet, und insgesamt nur an zwei Wochenenden nicht gebucht. Inzwischen kümmert sich Alessandra komplett um die Zimmer und die Gäste, während ihr Mann noch einen Vollzeitjob hat. Zusätzlich investieren beide Zeit in den landwirtschaftlichen Betrieb, jeweils kommt da also noch ein Teilzeitjob zu der eigentlichen Tätigkeit der Beiden hinzu.
Unter der Woche ist meist wenig los, aber in einem guten Monat haben sie nun mit zwei Zimmern schon einen Umsatz von rund 800 Euro.
Davon sind natürlich die Kosten abzuziehen. Die Reinigung der Bettwäsche wird inzwischen außer Haus gegeben und schlägt mit je vier Euro zu Buche, das (italienische) Frühstück fällt nicht wirklich zur Last. Allerdings kostete das Heizen der Zimmer Alessandra im ersten Winter wirklich viel und hatte die ganzen Einnahmen komplett verschluckt. Nun hat sie 3.500 Euro in ein anderes Heizsystem gesteckt und rechnet damit, mit vier Euro am Tag das gesamte Haus heizen zu können. Das gleiche Problem könnten in wärmeren Gegenden die Klimaanlagen im Sommer bringen. An Fixkosten gibt es ansonsten nur die obligatorische Haftpflichtversicherung, die rund 400 Euro im Jahr kostet.
Hilfreich bei einem so kleinen Betrieb ist, dass man für das Führen eines Bed and Breakfast mit nur bis zu drei Zimmern kein Gewerbe anmelden und auch keine Partita Iva (Mehrwertsteuernummer) aufmachen muss: Man gibt den Übernachtungsgästen einfach einen Zahlungsbeleg und verrechnet die Einnahmen mit den Kosten bei der persönlichen Einkommensteuererklärung im Folgejahr.
2016 wird das dritte Zimmer fertig sein und Alessandra und Alessandro denken, dass es das erste Jahr mit einem kompletten Gehalt zumindest für eine Person wird. Außerdem werde sie ihren landwirtschaftlichen Betrieb weiter ausbauen und so, hoffentlich bald, auch das zweite Gehalt „raus haben“.
Ale & Ale bereuen die Entscheidung, ihr Leben umgekrempelt und ihr Geld komplett in einen Traum investiert zu haben, nicht:
Wer ein B&B fernab der Touristenorte aufmacht, tut dies sicher nicht, um reich zu werden, sondern um die eigene Lebensqualität zu steigern. Ein B&B zu führen, ist nicht besonders anstrengend. Man hat zwar immer Leute um sich rum und muss immer erreichbar sein, aber man ist auch sein eigener Chef und die alltäglichen Arbeiten erledigt man recht schnell nebenher. Das ist nach einem karriereorientierten frenetischen Leben in der Großstadt einfach ein Traum(job).
Wer Ale & Ale besuchen möchte, kann das in der Nähe von Mailand mit einem entspannten Wochenende verbinden – die Landschaft des Oltrepó gleicht der Toskana, es gibt guten Wein und vor allem im Herbst frische lokale Spezialitäten, die einen Restaurantbesuch lohnen. Und geschlafen wird natürlich hier.
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