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Die Axt bleibt besser im Walde

Viele Eigentümer wissen es zu schätzen, dass sie im Grünen wohnen – zu Hause, wie insbesondere im Ferienhaus im sonnigen Süden. Gerade schöne alte Bäume und Pflanzen spenden in den zunehmend heißen Sommern wertvollen Schatten, schützen und klimatisieren auch das Gebäude.

Da aber nicht alle Ferienwohnungen und Häuser in riesigen, einsamen Parks stehen, sondern häufig eine direkte Grenze zu anderen Gärten haben, kann es auch beim schönsten Nachbarsbaum zu Unstimmigkeiten kommen: wenn die Schattenspender monstermäßige Ausmaße annehmen, das eigene Haus bei sonnenfreien Tagen schon mittags verdunkelt wird, die Blätter der Nachbarsgewächse auf dem eigenen Rasen Haufen bilden oder die Wurzeln tückisch von unten den Rasen durchpflügen.

Wenn man es sich nicht mit dem Nachbarn sofort verscherzen möchte, hat ein freundliches Gespräch über den Gartenzaun absolute Priorität. Man kennt die optische Täuschung, dass die Wiese jenseits der Grenze grüner scheint, so kann es umgekehrt auch sein, dass der Nachbar überhaupt keine Vorstellung von den negativen Auswirkungen seiner wundervollen Bäume, Ranken, Bambuspflanzen oder Hainbuchhecken hat.

Wenn der Perspektivwechsel des Nachbarn nicht gelingen sollte, kennt das italienische Zivilgesetz Abhilfe: Art. 896 ZGB gibt dem zugewachsenen Eigentümer die Möglichkeit, den Nachbarn „jederzeit zu zwingen“, die herüberragenden Äste zu kürzen, und er darf selbsttätig die Wurzeln in seinem Grund und Boden entfernen.

Zu beachten sind jedoch entgegenstehende Gemeindeordnungen und lokale Gebräuche, sowie nach der aktuellen Rechtsprechung auch der „ornamentale Wert“, also das äußere Erscheinungsbild des betreffenden Gewächses. Aus diesem Grund ist es auch besser, nicht selbst Axt oder Heckenschere anzulegen, denn dies kann zu Schadenersatzansprüchen des Nachbarn führen, der eine unerlaubte Handlung geltend machen kann.

Die italienische Justiz bejaht Schadenersatz für die Beschädigung fremden Grüns nach der „Schweizer Methode”, einem Schätzungsverfahren, das den ästhetischen und dekorativen Wert z.B. der Hecke berücksichtigt und eine genaue Wertbestimmung des Schadens ermöglicht, wie durch falschen Schnitt, Ausgrabung, mechanische Beschädigung, chemische Vergiftung und jede andere Beschädigung der Pflanze entstanden ist. Die Methode kennt als relevante Parameter für die wirtschaftliche Bewertung der Pflanze ihre Größe, ihren Standort sowie ihren Gesundheits- und Vegetationszustand.
Nicht zu vergessen ist auch die Beachtung der Sicherheit des Baumes, denn, wenn er einen wesentlichen Teil der Äste auf dem Nachbargrundstück sprießen lässt, hätte ein Radialschnitt eine Zerstörung der Symmetrie zur Folge und er könnte dem Wind nicht lang standhalten.
Die Einzelheiten des Verfahrens, das auch zur Ermittlung der Wiederherstellungskosten dient, ist den präzisen Schweizer Agronomen zu verdanken, die in den 1960er Jahren eine Schätzmethode einführten, die sich dann auch über die Grenzen der Schweiz hinaus Richtung Süden verbreitete.

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